Papst Franziskus ist verstorben
Papst Franziskus vollendet an diesen Ostern seinen Pilgerweg der Hoffnung.
Joseph Maria Bonnemain, Bischof von Chur
Papst Franziskus konnte am Ostersonntag das letzte Mal auf Erden seine Bischofsstadt Rom und die ganze Welt segnen. Er wünschte allen Menschen: «Frohe Ostern». Ostern ist der Übergang von allen Niederlagen der Welt zum endgültigen Sieg der Liebe ohne Grenzen und ohne Ende. Gott hat ihn am Ostermontag in diese Liebe heimgeholt. Wir bleiben auf Erden als Pilger der Hoffnung zurück. Sein österlicher Segen, «Urbi et Orbi», wird uns stets begleiten und ermutigen, uns trotz allen Niederlagen für Frieden, für die Schwächsten, die Flüchtlinge und alle an den Rand der Gesellschaft Gestellten einzusetzen.
Papst Franziskus setzte sich intensiv für die Armen ein und kritisierte Kapitalismus, nationalistische und imperialistische Ideologien, Konsumismus sowie Umweltzerstörung. Seine Enzyklika «Laudato si’» (2015) betont die Verantwortung für die Schöpfung. Er forderte eine einfachere, lernfähige, volksnahe Kirche und kritisierte interne Machtstrukturen sowie Klerikalismus. Vereinfachung der Regeln und Rituale für päpstliche Bestattungen sind nur ein Beispiel, genauso wie er auch nach seiner Papstwahl im Gästehaus des Vatikans wohnen blieb. Seine Autobiografie «Hoffe» von 2025 spiegelt diesen Reformwillen wider.
Papst Franziskus führte ebendiesen Reformwillen in einem weltweiten, synodalen Prozess ein, bei dem alle Gläubigen ihre Anliegen einbringen konnten. Konsequent übergab er Laien, Frauen einflussreiche Positionen und damit Verantwortung in der römischen Kurie. Dennoch hielt er an wichtigen, lehramtlichen Aussagen fest. So lehnte er bsp. - gestützt auf die Tradition der Kirche - bis zuletzt die Priesterweihe für Frauen ab.
Papst Franziskus bemühte sich fortlaufend und unermüdlich, Frieden zu stiften sowie den interreligiösen Dialog zu fördern. Seine täglichen Telefonate mit den Mitgliedern der einzigen katholischen Pfarrei in Gaza seit Ausbruch des Krieges hat er auch während seines letzten Aufenthaltes im Krankenhaus nicht abgebrochen. Er unterlies nie, Antisemitismus anzuprangern, selbst in seiner Osterbotschaft von gestern hat er das nochmals betont.
Papst Franziskus blieb bis zuletzt aktiv und prägte die katholische Kirche mit seiner Vision einer barmherzigen, inklusiven Gemeinschaft. Seine herzliche und offene Art, auf die Leute zuzugehen, hat ihm die Herzen der Menschen geöffnet. Er ging an den Rand der Gesellschaft, setzte sich für Arme und Benachteiligte ein und richtete dadurch den Blick der Öffentlichkeit auf Orte, die man gerne übersieht. Seine zweite Enzyklika bleibt als eine Charta magna seiner gelebten Überzeugung einer universellen Geschwisterlichkeit aller Menschen: «Fratelli tutti». Es gibt nur einen Gott und alle Menschen sind seine geliebten Kinder.
Papst Franziskus sprach den Umgang mit Missbrauch im katholischen Umfeld direkt an. Er verschärfte das kirchliche Strafrecht, baute Massnahmen zur Prävention gegen sexuellen Missbrauch aus. Er verurteilte Missbrauch öffentlich als Verbrechen und forderte Aufklärung, anstatt Vertuschung. Bis zuletzt aber musste er feststellen, dass das Ziel noch lange nicht erreicht ist.
Papst Franziskus hat das Verhältnis zwischen der katholischen Kirche und der Welt neu definiert. Er bezeichnete die Kirche als «Feldlazarett» und bezog fortlaufend zu weltlichen Themen und Konflikten Stellung. Über die Jahre hinaus war er gewohnt, dass er sich nicht immer und bei jedem beliebt machte. Das hinderte ihn allerdings nicht, klar und deutlich seine Meinung zu sagen, auch wenn sie manchmal für einen Papst als zu spontan und direkt empfunden wurde. Er wagte, bis zuletzt zu erklären, dass starre Grenzen, Barrieren, Mauern und Gitter nicht menschenwürdig sind und keinen andauernden Frieden bringen können. Ein letztes Mal wagte er gestern, am Ostersonntag, zu sagen: «Es kann keinen echten Frieden geben, ohne echte Abrüstung! Der Anspruch eines jeden Volkes, für seine eigene Verteidigung zu sorgen, darf nicht zu einem allgemeinen Wettrüsten führen.»
Wir können sein Pontifikat in einem von ihm oft verwendeten Wort zusammenfassen: «Uscire». Es sei sehr befreiend, zu wagen, aus sich selbst heraus zu gehen, dem anderen entgegen. Die Kirche solle sich nicht mit sich selbst beschäftigen, sondern mit den Menschen in der Peripherie, am Rande der Existenz. So sei die Kirche kein starres Museum von Vorschriften, sondern ein lebendiges, kreatives, dynamisches, sich entwickelndes Pilgervolk: so sei sie jung und trage zur Erneuerung der Welt bei. Den Politikern rieht Papst Franziskus, über ihren eigenen Nationalismus hinauszuwachsen und den friedlichen Dialog mit allen Menschen zu suchen. Seine dritte Enzyklika erörterte die Frage, woher die Energie für diese Reise der Liebe komme und wohin die Pilgerfahrt münde: Ins Herzen Jesu.
Trotz allem Elend auf der Welt hat Papst Franziskus nie die Hoffnung verloren. In seiner erst kürzlich erschienen Autobiographie schreibt er: «Die Hoffnung ist vor allem die Tugend der Bewegung, der Motor der Veränderung: Sie ist die Spannung, die Erinnerung und Utopie verbindet, damit wir daraus tagtäglich jene Träume verwirklichen können, die uns erwarten. Und wenn ein Traum an Kraft verliert, dann müssen wir zurückkehren, um ihn von Neuem zu träumen, in neuen Formen, sodass wir der Glut der Erinnerung mit unserem Hoffen neues Feuer einhauchen.»
Chur, 21. April 2025
Joseph Maria Bonnemain
Bischof von Chur